Zur Neugestaltung des Personalrechts einschließlich des Vergütungssystems der Professoren mit ärztlichen Aufgaben im Bereich der Hochschulmedizin
Die Universitätsklinika haben einen umfassenden Ausbildungs- und Versorgungsauftrag. Um die Leistungsfähigkeit der Klinika zu sichern, bedarf es nicht nur einer institutionellen Organisationsreform, die neben den Anforderungen der Krankenversorgung auch den wissenschaftlichen Belangen einer medizinischen Fakultät genügt. Entscheidend ist vielmehr, die universitären Kliniken in die Lage zu versetzen, im Wettbewerb mit außeruniversitären Einrichtungen die besten Ärzte und Wissenschaftler an sich zu binden.
Der Beschluß der Kultus- und Wissenschaftsminister vom 19.11.1999 zur Neugestaltung des Personalrechts einschließlich des Vergütungssystems in der Universitätsmedizin orientiert sich ebenso wie die sogenannte Beratungs- und Formulierungshilfe für einen Chefarztvertrag im Bereich der Universitätsklinika (Stand: Juni 2001) ganz überwiegend an betriebswirtschaftlichen Vorgaben. Es geht im wesentlichen darum, begrenzt verfügbare Ressourcen zur Erreichung maximaler ökonomischer Effizienz einzusetzen. Dies mag zweckmäßig erscheinen, weil es die Neueinführung eines flächendeckenden, diagnosebezogenen Vergütungssystems (Diagnosis Related Groups - DRGs) unterstützt. Die Neuordnung des Personalrechts darf sich aber nicht auf eine bloße Kosten- und Leistungsrechnung beschränken, wenn man den Eigengesetzlichkeiten von Forschung, Lehre und Krankenversorgung gerecht werden und den Anspruch aufrechterhalten will, die besten Köpfe für die Universitätsklinika zu gewinnen und zu halten. Statt der Entwicklung eines neuen Chefarzt-Leitbildes - mit besonderer Betonung von “Manager-Qualifikationen” - muß statt dessen die Stellung der leitenden Ärzte in einer Universitätsklinik in der Erfüllung ihrer Aufgaben in Forschung, Lehre und Krankenversorgung gestärkt werden. Sie sind deshalb von übermäßigen administrativen sowie fachfremden Aufgaben zu entlasten.
Nach den Vorstellungen der Kultusministerkonferenz sollen sämtliche Dienstaufgaben in der Krankenversorgung sowie in der Leitung einer klinischen Einrichtung zukünftig durch Chefarztverträge geregelt werden. Daneben soll es weiterhin die Berufung auf eine Professur im Beamten- oder Angestelltenverhältnis geben. Dabei besteht die Gefahr, daß die Verantwortung für die Krankenversorgung einerseits und für die Wissenschaft andererseits aufgespalten wird. Beide Bereich gehören aber untrennbar zusammen. Auf der Ebene einzelner Kliniken und Abteilungen wird die Verzahnung von Forschung, Lehre und Krankenversorgung bisher gerade durch die Personalunion zwischen Chefarztfunktion und Professur garantiert.
Die Chefarztverträge sehen nach den Vorstellungen der KMK die Einführung einer angeblich “leistungsgerechten Vergütung” mit Festgehältern vor. Das bis jetzt dem klinischen Abteilungsleiter zustehende Recht zur Privatliquidation soll vollständig auf die Institution “Universitätsklinik” übertragen werden. Die Behauptung der Wissenschaftsminister, das Liquidationsrecht berge die Gefahr von “Fehlsteuerungen” im Hinblick auf strukturelle und fachliche Veränderungen der klinischen Einrichtungen in sich, wird nicht näher begründet. Der Sinn und Zweck des Privatliquidationsrechts liegt nicht zuletzt in einer wesentlichen finanziellen Entlastung des Dienstherrn, der andernfalls auf die Gewinnung von exzellenten Ärzten und Wissenschaftlern für seine Universitäten zukünftig häufig wird verzichten oder wesentlich höhere Gehälter wird zahlen müssen. Zum anderen wird mit der Abschaffung des Liquidationsrechtes das Recht jedes Patienten auf freie Arztwahl beseitigt.
Die universitäre Medizin muß ihren Auftrag, die wissenschaftliche Qualität der medizinischen Ausbildung zu gewährleisten, auch künftig erfüllen können. Die Neuordnung des Personalrechtes darf deshalb nicht allein an betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgerichtet werden. Vor diesem Hintergrund hält die Arbeitsgemeinschaft Hochschulmedizin bei der Reform die Beachtung folgender Kernpunkte für unverzichtbar:
1. Leitungsaufgaben, Wirtschaftlichkeitsgebot
Jeder Chefarzt ist im Rahmen der Aufgabenstellung des Klinikums und der Abteilung bei der Behandlung der Patienten verpflichtet, dem Gebot der wirtschaftlichen Haushaltsführung zu genügen. Dies ergibt sich bereits aus dem allgemeinen Gesundheitsrecht (§§ 12 Abs. 1, 70 Abs. 1 SGB V). Die Zuerkennung einer speziellen Budgetverantwortlichkeit gegenüber dem klinisch tätigen Universitätsprofessor verwischt aber die hergebrachte Grenze zwischen Wirtschafts- und ärztlichem Dienst und löst das ursprüngliche Berufsbild des Arztes und Wissenschaftlers auf. Es muß im Chefarztvertrag daher deutlicher als bisher betont werden, daß die wirtschaftliche Verantwortung des Chefarztes dessen wissenschaftliche und ärztliche Unabhängigkeit unberührt läßt. Diese Unabhängigkeit ist das Charakteristikum seines Berufes; sie darf keinen vermeintlichen oder tatsächlichen budgetären Zwängen geopfert werden. Eine Budgetverantwortung kann sich im übrigen nur auf solche Bereiche beziehen, die vom Chefarzt eigenverantwortlich gesteuert werden können. Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, bedarf es konkreter und aussagekräftiger Informationen durch die Verwaltung.
2. Dienstrechtlicher Status / Versorgung
Um die Zukunftsfähigkeit der Universitätsklinika zu sichern, ist die Ausgestaltung des konkreten Dienstrechtsverhältnisses nachrangig. Entscheidend ist vielmehr, daß die personelle Einheit von Forschung, Lehre, Krankenversorgung und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses auch in Zukunft erhalten bleibt. Bei den Kombinationsmodellen muß ein künftiges Auseinanderfallen von Professorenamt und Chefarztposition verhindert werden. Ein geeignetes Mittel dafür ist etwa der Ausschluß des ordentlichen Kündigungsrechtes. In der Praxis hat sich die kombinierte Berufung von Professoren auf der Grundlage eines Lebenszeitbeamtenverhältnisses in Verbindung mit einem Chefarztvertrag bereits mit Erfolg bewährt. In jedem Falle bedarf es aber einer Kooperationsvereinbarung zwischen den Anstellungsträgern, in der Einzelheiten zur Sicherstellung und Finanzierung von Forschung, Lehre, Fort- und Weiterbildung sowie der Pflege des wissenschaftlichen Nachwuchses neben den Regelungen über die Funktionsbeschreibungen der Stellen, die Ausgestaltung der Dienstverhältnisse und die arbeits- bzw. beamtenrechtlichen Zuständigkeiten getroffen werden.
Erfolgt die Berufung - wie dies in einigen Bundesländern bereits geschieht - in ein Beamtenverhältnis, aus dem heraus eine Beurlaubung des Professors zur Wahrnehmung der Chefarzt- und Hochschullehrerfunktion vorgenommen wird, ist es erforderlich, daß der Dienstherr (Land) einen Gewährleistungsbescheid erteilt, um den Chefarzt und seine Angehörigen versorgungsrechtlich nicht schlechter zu stellen als einen “regulär” verbeamteten Wissenschaftler. Im Rahmen einer Vertragslösung ist die vertragliche Gewährung eines angemessenen Zuschusses zur privaten Zukunftssicherung oder -alternativ- eine Direktversicherung des Chefarztes bei gleichzeitiger Übernahme der Prämienzahlung durch den Dienstherrn denkbar.
3. Wissenschaftlichärztlicher Nachwuchs
Die Ausbildung und Förderung des wissenschaftlich-ärztlichen Nachwuchses gehört zum Kernbereich der universitären Medizin. Dazu gehört auch die Heranführung des wissenschaftlichen Nachwuchses an die Leitung einer Klinik. Das KMK-Papier äußert sich bedauerlicherweise nicht zu der Frage, wie gerade die besten Ärzte und Wissenschaftler, die sich für die universitäre Medizin begeistern, für eine akademische Karriere gewonnen werden können. Die Einführung der Juniorprofessur durch das Hochschulrahmengesetz und das Professorenbesoldungsreformgesetz führt in der klinischen Medizin zu einer weiteren Verlängerung des Qualifikationsweges, da im Regelfall der Juniorprofessor bereits die Ausbildung zum Facharzt als Einstellungsvoraussetzung nachweisen muß. Bislang konnte die Ausbildung zum Facharzt parallel zur Habilitation erfolgen. Unklar bleibt auch, ob bei den unterschiedlichen Dienstverhältnissen des wissenschaftlichen Nachwuchses das korporationsrechtliche Verhältnis zur Universität bestehen bleibt.
4. Vergütungsregelung / Privatliquidation
Die von der Kultusministerkonferenz empfohlenen neuen Vergütungsregelungen weichen grundlegend von der bisher in Verbindung mit dem Privatliquidationsrecht gewährten C3- oder C 4-Vergütung ab.
Die Festvergütung soll zwischen dem leitenden Arzt und dem Klinikumsvorstand individuell unter Berücksichtigung der “Wertigkeit” der übertragenen Position und dem Grad der mit dieser
verbundenen Verantwortung vereinbart werden. Die Berechtigung, Wahlleistungspatienten zu behandeln, soll durch eine Beteiligung des Liquidationsaufkommens des Trägers oder durch eine erhöhte Festvergütung unter Verzicht auf die Beteiligungsvergütung ersetzt werden.
Aus Sicht der Arbeitsgemeinschaft Hochschulmedizin bestehen größte Bedenken, ob die undifferenzierte Ersetzung der Privatliquidation sinnvoll ist. Aus teilweise Selbständigen zwangsweise Angestellte zu machen, ist tendenziell leistungsfeindlich und vor dem Hintergrund des Reformziels “Effizienzgewinn” kontraproduktiv. Im übrigen wird die Arzt-Patienten-Beziehung entpersonalisiert und geschwächt. Nur das System ärztlicher Wahlleistungen gewährleistet die Inanspruchnahme eines besonders qualifizierten leitenden Arztes. Die Übertragung des Liquidationsrechtes auf eine Institution ist damit nicht vereinbar. Bislang ist das Liquidationsrecht Ausdruck der hohen wissenschaftlich - ärztlichen Verantwortung und Autonomie der leitenden Klinikärzte - trotz der Einordnung in ein Beamtenverhältnis. Die Liquidationserlöse werden künftig nicht mehr als ein individuelles Entgelt für eine persönliche, besondere ärztliche Leistung qualifiziert, sondern werden zur bloßen Finanzierungsmasse des Klinikums. Der Klinikleiter, durch dessen persönliche Reputation die Klinik weitgehend geprägt wird, wird auf diese Weise zum bloßen Erfüllungsgehilfen des Klinikträgers. Die dadurch begründete Abhängigkeit verletzt den Kernbereich der ärztlichen Berufsfreiheit mit all ihren Folgen nicht nur für die Krankenversorgung, sondern auch für die Forschung und Lehre.
Der Wegfall des Liquidationsrechtes ist geeignet, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu benachteiligen. Die angemessene Beteiligung der Mitarbeiter an den vom Chefarzt erzielten Erlösen wird mit der Ablösung der Privatliquidation beseitigt. An die Stelle individueller Leistungshonorierungen soll künftig eine pauschale Aufteilung eventueller Wahlleistungszuschläge nach einem vorab festgelegten Verteilungsschlüssel treten, der überdies im Ermessen des Klinikums stünde. Dies beeinträchtigt zwangsläufig die Qualität wissenschaftlich-ärztlicher Leistungen und die Motivation der Leistungsträger empfindlich.
Aus den genannten Gründen ist es notwendig, das Privatliquidationsrecht - zumindest im Sinne eines Wahlrechts - aufrecht zu erhalten. Sollte sich ein Hochschullehrer freiwillig entschließen, das Liquidationsrecht an den Träger abzutreten, bedarf es transparenter, alternativer Vergütungsregelungen. Die jeweils zuständigen Medizinischen Fachgesellschaften könnten bei der Ermittlung der Grundlagen für die Bestimmung der Festvergütung und der variablen Vergütungsbestandteile beratende Hilfe leisten.
5. Befristung/Probezeit/Kündigung
Aus arbeitsrechtlichen Gründen ist es prinzipiell nicht zulässig, den Vertrag eines leitenden Arztes zeitlich zu befristen, da der leitende Arzt mit seinen Aufgaben in Forschung, Lehre, Krankenversorgung und wissenschaftlicher Nachwuchsförderung Daueraufgaben im Universitätsklinikum wahrnimmt. So fehlt in aller Regel ein sachlicher Befristungsgrund. Die - arbeitsrechtlich zulässige - Vereinbarung einer Probezeit wird bei der Berufung von Hochschullehrern auf Chefarztpositionen meistens nicht in Betracht kommen, da der Professor bis zu diesem Zeitpunkt seine fachliche und persönliche Kompetenz längst nachgewiesen hat. Eine einseitige Beendigung der Vertragsbeziehung im Wege einer ordentlichen Kündigung durch den Träger muß ausgeschlossen sein, weil seine klinische Tätigkeit Grundlage für Forschung und Lehre ist. Anderenfalls drohte die Trennung von wissenschaftlicher und ärztlicher Leitungsfunktion. Deshalb darf das Beschäftigungsverhältnis nur aus Gründen beendet werden, die bei Beamten eine Entlassung aus dem Dienstverhältnis zu tragen vermögen.
6. Entwicklungsklausel/Strukturveränderungen
Das Recht des Klinikträgers, jederzeit sachlich gebotene organisatorische und strukturelle Änderungen vorzunehmen, kollidiert unter Umständen mit dem Prinzip der Vertragstreue. So kann nicht hingenommen werden, daß ohne Zustimmung des leitenden Arztes Abteilungen gleicher Fachrichtungen gebildet und leitende Abteilungsärzte gleicher Fachrichtung in der neuen Abteilung oder gar in der bisherigen Abteilung eingestellt werden. Um des verfassungsrechtlich gebotenen Schutzes von Forschung und Lehre willen ist es erforderlich, dem leitenden Arzt in Fällen gravierender Strukturänderungen - bis hin zu einem Entzug oder Teilentzug der Leitungsfunktion - eine angemessene Sach- und Personalausstattung zur Wahrnehmung seiner Rechte und Pflichten zu belassen. Führen organisatorische Maßnahmen im Einzelfall zu einer wesentlichen Beeinträchtigung der finanziellen Vertragsgrundlagen, sind diese - gegebenenfalls unter Anerkennung einer Ausgleichsverpflichtung des Trägers - neu zu regeln.