Eckpunktepapier - studentischen Mitbestimmung

Eckpunktepapier zur studentischen Mitbestimmung

Die Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden
Eckpunktepapier des Deutschen Hochschulverbandes zur studentischen Mitbestimmung


1.) Die Universität ist die Heimat von Forschung und Lehre. Sie ist der Ort der wissenschaftlichen Begegnung in der Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden. Eine Universität ohne Studierende verdient den Namen nicht. Die Verwebung und Durchdringung von Lehrenden, die immer auch Lernende, und Lernenden, die immer auch Lehrende sind, ist für die Universität konstitutiv.

2.) Studierende und Lehrende verbindet als Gemeinschaft auf Zeit ein Bündel gemeinsamer Interessen, die gegenüber Staat und Gesellschaft zu vertreten sind. Dazu gehört die Verteidigung der Freiheit von Forschung und Lehre, das Interesse an bestmöglichen Studienbedingungen und an einer qualitativ hochwertigen Bildung und Ausbildung als Vorbereitung auf Leben und Beruf.

3.) Daneben haben Studierende und Lehrende aber auch unterschiedliche Interessen, die nicht zuletzt durch Alter, Funktion, Betroffenheit und Dauer der Zugehörigkeit zur Institution Universität bestimmt werden. Widerstrebende Interessen auszugleichen und studentische Belange institutionell und personell eine wirksame Plattform zu schaffen, ist Aufgabe einer intelligenten universitären Organisation.

4.) Der Deutsche Hochschulverband sieht in der Verfassten Studentenschaft ein Auslaufmodell und lehnt ihre flächendeckende Wiedereinführung ab. Verfasste Studentenschaften werden durch das beharrliche Desinteresse an den Wahlen zu Studentenparlamenten und die umstrittene Erhebung und die fragwürdige Verwendung von studentischen Geldern delegitimiert. Nicht immer die Mehrheit, sondern oftmals die lautstarke Minderheit der Studierenden ist in den ASten vertreten.

Gleichwohl ist der DHV der Auffassung, dass es einer gesamtuniversitären studentischen Vertretung bedarf. Hierzu gibt es in den einzelnen Bundesländern und an den verschiedenen Universitätsstandorten unterschiedliche Modelle. Der DHV plädiert dafür, die strukturelle Organisation studentischer Interessen in die Autonomie der ein-zelnen Hochschulen zu legen. Dabei ist notwendigerweise qua Satzung zu regeln, wie die Wahrnehmung für studentische Interessen im Einzelnen auszugestalten ist, wie die damit verbunden Kosten zu finanzieren sind und wie die studentische Interessenvertretung finanziert wird. In jedem Fall muss gewährleistet sein, dass sich die Universitätsleitung mit den Beschlüssen der studentischen Interessenvertretung im Einzelnen auseinandersetzen muss.
 
5.) Die Wahrnehmung studentischer Interessen ist daneben vor allem auf dezentraler Ebene sinnvoll und notwendig. In den Fachschaften, deren Arbeit und Gewicht zu stärken ist, stehen die Studierendenvertreter in einem permanenten Kontakt mit ihren Wählern, deren Anliegen sie aus dem konkreten Studienalltag kennen. Dadurch ist ein hohes Maß an Sachorientierung gewährleistet. Die Fachschaften sind daher nach Ansicht des DHV der Kristallisationskern studentischer Mitbestimmung. 

6.) Sachlich und verfassungsrechtlich ist es geboten, die Entscheidungskompetenz in Fragen von Forschung und Lehren mehrheitlich bei den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern (*) anzusiedeln. Dies schließt eine umfassende Mitsprache der Studierenden nicht aus. In der Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden stellt insbesondere die wissenschaftliche Lehre einen interaktiven Prozess dar. Einem guten Universitätslehrer liegt gleichermaßen am Lehr- wie Lernerfolg. Die studentische Lehrevaluation ist für ihn ein willkommenes Instrument, die wissenschaftliche Lehre zu prüfen und gegebenenfalls zu verbessern.  

Der Deutsche Hochschulverband betont zudem, dass eine Entscheidung über die Verwendung von Studienbeiträgen, die unter der gesetzlichen Zielvorgabe einer "Verbesserung von Lehre und Studienbedingungen" stehen, nur im Benehmen mit den Studienbeitragszahlern, also den Studierenden, erfolgen kann. Studentische Mitsprache und Verwendungsvorschläge müssen willkommen sein. Verwendungsentscheidungen sollten nicht gegen das Votum der Studierenden gefällt werden. 

7.) Der Deutsche Hochschulverband lehnt die Inanspruchnahme eines allgemeinpolitischen Mandats durch die Studentenschaft ab. Es gibt weder einen Sachgrund noch eine Rechtsgrundlage dafür, dass sich Studierendenvertreter im Namen aller Studierenden zu politischen Themen ohne Hochschulbezug äußern sollten. Da alle Studenten mit der Immatrikulation automatisch Mitglieder der Studentenschaft werden, verstößt eine allgemeinpolitische Äußerung der Studentenschaftsvertretung insbesondere gegen das Grundrecht der freien Entfaltung der Persönlichkeit (Artikel 2 Abs 1 des Grundgesetzes). 

Rostock, 1. Juli 2011


(*) Der besseren Lesbarkeit halber gelten alle maskulinen Personen- und Funktionsbezeichnungen auf unseren Seiten für Frauen und Männer in gleicher Weise. Es gilt: Pronuntiatio sermonis in sexu masculino ad utrumque sexum plerumque porrigitur (Corpus Iuris Civilis Dig. 50,16,195, veröffentlicht 533 n. Chr.), übersetzt: Die Redeform im männlichen Geschlecht erstreckt sich für gewöhnlich auf beide Geschlechter.