Neuregelung des Patentrechtes

Neuregelung des Patentrechtes durch Änderung des Verwertungsrechts der Hochschullehrer

Bonn, den 30. Juni 2000

1. Geltende Rechtslage

Den Umgang mit patentfähigen Erfindungen regelt das Arbeitnehmererfindungsgesetz vom 25. Juli 1957, zuletzt geändert durch Gesetz vom 16. Juli 1998. Danach sind Erfindungen, die während der Dauer eines Arbeitsverhältnisses gemacht wurden, dem Arbeitgeber unverzüglich mitzuteilen. Handelt es sich um eine Diensterfindung, so hat der Arbeitgeber das Recht, sie in Anspruch zu nehmen. Bei unbeschränkter Inanspruchnahme gehen alle Rechte an der Diensterfindung auf den Arbeitgeber übergehen. Der Arbeitnehmer hat dafür einen Anspruch auf angemessene Vergütung. Für Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst und für Beamte gelten diese Regelungen mit unwesentlichen Modifikationen in gleicher Weise.

Eine Sonderregelung trifft § 42 Abs. 1 des Arbeitnehmererfindergesetzes für Professoren, Dozenten und wissenschaftlichen Assistenten. Solche Erfindungen sind freie Erfindungen (Verwertungsprivileg der Hochschullehrer). Sie unterliegen keiner Mitteilungspflicht und können vom jeweiligen Erfinder frei verwertet werden.

2. Angestrebte Rechtsänderung

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung strebt seit 1996 mittels einer „Patentinitiative" eine Steigerung der Patent- und Verwertungsaktivitäten von Hochschullehrern an. Insbesondere sollen die bisher „nicht patentaktiven" Hochschullehrer aktiviert werden, ihre Forschungsergebnisse zu patentieren und zu verwerten. In diesem Zusammenhang hat das Bundesministerium einen Gutachtenauftrag zur Relevanz des sogenannten Hochschullehrerprivilegs an die Patent- und Rechtsanwaltskanzlei Cohausz Hannig Dawidowicz und Partner in Düsseldorf vergeben. Das Gutachten kommt zu folgenden Schlüssen:

Das Verwertungsrecht der Hochschullehrer soll bestehen bleiben. Die Erfindungen der Hochschullehrer sollen freie Erfindungen bleiben.

Verbesserungen sind durch intensive Umfeldmaßnahmen zu erreichen, insbesondere durch Verbesserung des Patentierungsumfeldes (Beratungsstellen mit entsprechendem know how in der Universität)

Das Verwertungsrecht der Hochschullehrer wird durch eine Meldepflicht erweitert. Erfindungen sind danach zu melden und der Hochschullehrer hat die Pflicht, sich zur Verwertung zu äußern und einen Verwertungsplan aufzustellen. Ohne einen ausreichenden Verwertungsplan erhält die Hochschule das Recht, die Erfindung selbst zu verwerten. In diesem Fall teilen sich Hochschule und Hochschullehrer die Erlöse.

Das Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft ist diesen Ergebnissen des Gutachtens nicht gefolgt. Vielmehr wird im Rahmen der anstehenden Dienstrechtsnovelle für Hochschullehrer angestrebt, Verwertungsprivileg der Hochschullehrer zu streichen und die Erfindungen von Hochschullehrern, Dozenten, wissenschaftlichen Assistenten und wissenschaftlichen Mitarbeitern nach den Vorschriften für Arbeitnehmer zu regeln. Danach soll der Dienstherr vier Monate Zeit haben, nach der Meldung der Erfindung darüber zu entscheiden, ob er diese in Anspruch nehmen will. Tut er dies, soll die Vergütung des Erfinders ein Drittel des Verwertungserlöses nach Abzug einer Pauschale von 1/10 für die Kosten von Patentierung und Verwertung betragen.

Im März 2000 hat die Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) diese Vorstellung einhellig gebilligt. Dies bedeutet, dass neben dem Bund alle 16 Bundesländer für den Wegfall des Verwertungsrechtes der Hochschullehrer votiert haben. Lediglich das Bundesministerium der Justiz hat gegen die Neuregelung verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet.

3. Stellungnahme des Deutschen Hochschulverbandes

Der Deutsche Hochschulverband hat bereits im Dezember 1999 in einem Gespräch auf Arbeitsebene im Bundesministerium für Bildung und Wissenschaft seine Bedenken deutlich gemacht. Das Präsidium des Deutschen Hochschulverbandes hat auf seiner Sitzung vom 1. März 2000 seine Position im einzelnen spezifiziert. Dabei hatte es sich insbesondere auf die gutachtliche Äußerung von Herrn Professor Kraßer, Ordinarius für Privatrecht und Patentrecht an der Technischen Universität München und Ständiger Sachbearbeiter für Patentfragen im Deutschen Hochschulverband, gestützt. Der Deutsche Hochschulverband nimmt im einzelnen zu den Plänen, das Verwertungsrecht der Hochschullehrer in Fortfall zu bringen, wie folgt Stellung:

Der Beschluss der Bund-Länder-Kommission ist ein weiterer Versuch, die Rechte der Institution Hochschule zu Lasten der Rechte des individuellen Wissenschaftlers zu stärken. All diese Versuche verkennen, dass die Arbeit und die wissenschaftliche Leistung von den Wissenschaftlern und nicht von der Hochschule erbracht wird. Die Entmündigung der Hochschullehrer durch allmächtige Hochschulen führt unweigerlich zur Demotivation. Ein solcher Paradigmenwechsel fördert nicht die wissenschaftliche Kreativität, sondern behindert sie.

Der Hochschullehrer forscht nicht im Auftrag des Staates. Der Hochschullehrer forscht vielmehr selbstverantwortlich, ausschließlich um der Erkenntnis willen. Dies ist Kern der von Artikel 5 Abs. 3 des Grundgesetzes geforderten Forschungsfreiheit. Eine Unterstellung der Hochschullehrer unter das Rechtsregime, das für angestellte Arbeitnehmer gilt, verbietet sich mithin schon aus verfassungsrechtlichen Gründen.

Hinzu kommt, dass die derzeitigen Regelungen für Arbeitnehmer im Arbeitnehmererfindungsgesetz von der Industrie entschieden kritisiert werden. In der vom Bundesverband der deutschen Industrie und von der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände herausgegebenen „Studie zu den Auswirkungen des Arbeitnehmer-Erfindungsgesetzes in der Praxis" vom Juli 1998 wird insbesondere die mangelnde Flexibilität des Gesetzes, namentlich bei Teamleistungen und bei internationalen Sachverhalten, sowie der unnötige, bürokratische Formalismus des Gesetzes kritisiert. Die Studie endet mit den Sätzen: „Die Lösung kann nur - wie von einer überwältigenden Mehrheit der Unternehmen gefordert - in einer grundlegenden Änderung des Erfinderrechtes liegen. Damit werden letztlich Innovationshemmnisse abgebaut und der Innovationsstandort Deutschland gestärkt". Es macht wenig Sinn, ein in seinem Zweck verfehltes und erheblich reformbedürftiges Gesetz in seinem Anwendungsgebiet nunmehr auch noch auf die Hochschullehrer zu erweitern.

Der Deutsche Hochschulverband teilt die im Gutachten von Cohausz Hannig Dawidowicz und Partner zum Ausdruck gekommene Bewertung, dass vom Verwertungsprivileg der Hochschullehrer „weder eine signifikant fördernde noch hemmende Wirkung auf die Patentierung und Verwertung von FuE-Ergebnissen der Hochschulforschung" ausgeht (Seite 94). Der Hochschulverband ist auch der Auffassung, dass unter diesen Voraussetzungen an der Beseitigung der Patentierungs- und Verwertungsbarrieren, insbesondere der nicht patentaktiven Hochschullehrer gearbeitet werden muß.

Zum Abbau dieser Barrieren gehört vor allem die Einrichtung von professionellen Patentberatungsbüros durch die Hochschulen. Auch über die Einrichtung einer Meldepflicht kann nachgedacht werden.

Im weiteren schlägt der Hochschulverband vor, von der bereits bestehenden gesetzlichen Möglichkeit ( § 92 Abs. 1 Satz 2) des Arbeitnehmererfindungsgesetzes verstärkt Gebrauch zu machen, das Verwertungsprivileg des Hochschullehrers in die Disposition der Vertragspartner zu legen. Dies ist eine Lösung, die auch überwiegend bei den amerikanischen Universitäten angewandt wird. Sie ist marktgerecht und bietet die größtmögliche Flexibilität. Die Regelung über den Umgang mit Diensterfindungen und deren Verwertung würde also Teil der Berufungsvereinbarung. Allerdings dürfen dabei bestimmte Mindeststandards nicht unterschritten werden. Enthielte eine Berufungsvereinbarung keine Regelung, würde die gesetzliche Vorschrift fortbestehen.

Zu den Mindeststandards würden aus Sicht des Deutschen Hochschulverbandes insbesondere folgende Punkte zählen:

  • Der Hochschullehrer muß das Recht behalten, zu entscheiden, ob und inwieweit er Forschungsergebnisse veröffentlichen will;
     
  • der Hochschullehrer muß das Recht behalten, seine Forschungsergebnisse so schnell wie möglich zu veröffentlichen, wobei in sehr engen patentrechtlichen Grenzen ein zur Wahrung von Schutzmöglichkeiten erforderlicher Aufschub der Veröffentlichung eventuell zumutbar wäre, solange nicht die dringend erwünschte Einführung einer Neuheitsschonfrist zustande kommt;
  • der Hochschullehrer muß das Recht behalten, die Forschungsergebnisse, auch wenn sie Gegenstand eines ihm nicht gehörenden Schutzrechtes geworden sind, wissenschaftlich weiterzubenutzen;
  • der Hochschullehrer muß das Recht behalten, einen angemessen Anteil am wirtschaftlichen Ertrag seiner Erfindung zu erhalten;