Positionspapier des Deutschen Hochschulverbandes
zum Bericht der Expertenkommission zur Reform des Dienstrechts und zur leistungsorientierteren Besoldung von Hochschullehrern
Bonn, 05. Juni 2000
Das Hochschullehrerdienstrecht hat die vornehmliche Aufgabe, die besten Köpfe in Forschung und Lehre für die Universität zu gewinnen und diese auf Dauer an sie zu binden. Dazu gehört nicht nur das Verhindern der Abwanderung von Spitzenkräften in den außeruniversitären Markt, sondern auch die Eröffnung attraktiver Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Der Deutsche Hochschulverband begrüßt nachdrücklich alle Bestrebungen, Professoren noch stärker nach ihrer Leistung zu besolden als bisher. Sie sind nicht nur angemessen, weil die deutschen Universitätsprofessoren in der Vergangenheit bei gleichbleibender Personalausstattung die doppelte Zahl von Studenten ohne Verlust an Qualität auszubilden hatten. Darüber hinaus ist eine stärkere Leistungshonorierung notwendig, um die deutschen Universitäten auch in der Zukunft in die Lage zu versetzen, im internationalen Vergleich Spitzenergebnisse in Forschung und Lehre erbringen zu können.
Die Vorschläge der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung eingesetzten Expertenkommission zur Reform des Dienstrechts und zur leistungsorientierteren Besoldung von Hochschullehrern weisen jedoch insgesamt in die falsche Richtung. Zwar gibt es einzelne Empfehlungen, die uneingeschränkt Unterstützung verdienen. Dazu gehören der empfohlene Verbleib der Hochschullehrer in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis, die Perspektive eines eigenständigen Personalstatus für Hochschullehrer, die Öffnung der besoldungsrechtlichen Obergrenzen für Spitzenwissenschaftler, die geforderte Liberalisierung des Nebentätigkeitsrechts, die persönliche Honorierung von Drittmitteleinwerbungen und die Betonung, dass für die Vergabe von Leistungsprämien ein wissenschaftsadäquates Verfahren erforderlich sei. In den grundlegenden Fragen gehen die Vorschläge aber von falschen Voraussetzungen aus und empfehlen die falschen Maßnahmen. Die Vorschläge werden daher nicht dem anzustrebenden Ziel dienen, die deutsche Universität wettbewerbsfähig zu halten.
Die Kritikpunkte im einzelnen:
Die Expertenkommission hat sich durch die politische Vorgabe der Kostenneutralität unnötige Fesseln aufgelegt. Sie hat sich nicht von der Sache selbst leiten lassen, sondern hat politische Wünsche erfüllt. Anstatt den politisch Verantwortlichen auf Sachverstand gegründete Empfehlungen von Experten zu liefern, hat sich die Kommission vorbehalt- und kritiklos in den Dienst der Politik gestellt.
Die Expertenkommission geht von der zweifelhaften Annahme aus, Professoren seien durch finanzielle Anreize zu mehr Leistung zu motivieren. Hochschullehrer sind zuerst, wie empirische Untersuchungen belegen, intrinsisch motiviert. Die immaterielle Anerkennung ihrer wissenschaftlichen Leistung und das Renommee, das sie im Wettbewerb der scientific communitiy und bei ihren Studierenden genießen, sind für Professoren leistungsfördernder als die Aussicht auf magere und obendrein nur unsichere Geldprämien. Professoren haben die Wissenschaft zum Beruf gemacht, um selbstbestimmt arbeiten zu können, nicht um möglichst viel Geld zu verdienen.
Das von der Expertenkommission vorgeschlagene Grundgehalt für Universitäts-professoren von monatlich 8.300 DM ist nicht wettbewerbsfähig. Mit diesem Ausgangsgehalt kann man die besten Köpfe für die Universität nicht gewinnen und an ihr halten. Ein solcher Vorschlag ist schlicht kontraproduktiv, weil er die Abwanderung des wissenschaftlichen Nachwuchses in außeruniversitäre Bereiche geradezu programmiert.
Das von der Expertenkommission vorgeschlagene Grundgehalt für Universitäts-professoren widerspricht dem verfassungsmäßig garantierten Grundsatz der amtsangemessenen Besoldung. Es liegt auf dem Niveau von Studiendirektoren und ist im horizontalen Vergleich zu den Gehältern der B- und R-Besoldung (Spitzenbeamte der Verwaltung und Richter) erheblich niedriger und daher inakzeptabel.
Die von der Expertenkommission vorgeschlagene Ausgangsbesoldung von 8.300 DM ist eine Kürzung des Grundgehaltes um mehr als 1.500 DM gegenüber der zur Zeit geltenden, gesetzlich garantierten Besoldung. Gerade im Zeitalter der Globalhaushalte ist die Gefahr mit Händen zu greifen, dass die Gesamtbesoldung der Hochschullehrer abgesenkt wird. In Wahrheit verbirgt sich hinter der wohlfeilen Vokabel der leistungsorientierten Besoldung ein drohendes Sparpaket.
Die Expertenkommission hat die vorliegenden schlechten Erfahrungen, die im In- und Ausland mit bereits bestehenden Geldanreiz-Systemen gemacht wurden, unberücksichtigt gelassen. Rein finanzielle Anreizsysteme wie etwa bestimmte merit-pay-Systeme an amerikanischen Universitäten oder Leistungsprämien im deutschen öffentlichen Dienst lassen erhebliche Zweifel an der Effizienz pekuniärer Anreize aufkommen. Da sie Neid und soziales Konkurrenzverhalten weit stärker fördern als die individuelle wissenschaftliche Leistung, sind sie meist wieder abgeschafft worden. Der Abschlussbericht der im US-Staat Kalifornien eingesetzten Merit Pay Task Force hebt hervor, dass die häufig zeitaufwendigen merit-pay-Systeme an allen beteiligten Universitäten Disharmonien und Verstimmungen verursacht haben. Die Expertenkommission schlägt für die deutschen Hochschulen ein Modell vor, das andernorts bereits gescheitert ist.
Es erscheint wenig hilfreich und sinnvoll, überhaupt über eine leistungsgerechtere Besoldung der Hochschullehrer nachzudenken, bevor nicht die evidente Ungerechtigkeit einer um 13,5 % abgesenkten Besoldung der Hochschullehrer in den neuen Ländern beseitigt wird.
Der Deutsche Hochschulverband setzt den Empfehlungen der Expertenkommission folgende eigene Vorschläge zu einer Stärkung der Konkurrenzfähigkeit der deutschen Hochschulen entgegen:
International hat sich kein anderes System für die Messung von individueller wissenschaftlicher Leistung und für die Förderung des wissenschaftlichen Wettbewerbs so bewährt wie das Berufungssystem. Eine wissenschaftsadäquate und dem wissenschaftlichen Wettbewerb entsprechende Gestaltung der Besoldung sollte daher vor allem in der Stärkung und im Ausbau der leistungs- und wettbewerbsfördernden Elemente des vorhandenen Systems bestehen. Dies setzt voraus, dass wettbewerbsfeindliche Elemente beseitigt werden.
Wettbewerbsfeindlich ist die geltende Regelung, dass ein Hochschullehrer, der jenseits des 50. Lebensjahres steht, nicht an eine andere Hochschule berufen werden darf. Damit wird die individuelle Wettbewerbsfähigkeit auf ein Zeitfenster von rund zehn Jahren eingeschränkt. Der Deutsche Hochschulverband fordert daher die Aufhebung der Altersgrenzen bei der Berufung.
Wettbewerbsfeindlich ist die geltende Regelung, dass sich C4-Professoren nach einer Rufannahme drei Jahre lang nicht auf eine andere Professur bewerben dürfen. Sie ist als Kartellvereinbarung der Kultusministerkonferenz nicht nur marktfeindlich, sie verhindert auch Flexibilität und Mobilität der Spitzenkräfte, von denen gerade die Wissenschaft lebt. Der Deutsche Hochschulverband fordert daher die Aufhebung der Dreijahressperre für C4-Professoren.
Wettbewerbsfeindlich ist die geltende Standardisierung von Berufungsgewinnen. Diese Regelung würdigt weder angemessen die individuelle wissenschaftliche Leistung noch ermöglicht sie die Ermittlung des Marktwertes von Spitzenforschern. Der Deutsche Hochschulverband fordert daher die Beseitigung der Obergrenzen von Berufungsgewinnen sowie die Ermöglichung ihrer freien Verhandelbarkeit. Um die Mobilität zum Nutzen der Wissenschaft mehr als bisher zu fördern, sind die Berufungsgewinne zu Lasten der Bleibegewinne zu erhöhen.
Wettbewerbsfeindlich ist das Fehlen jeglichen Anreizes zur Verbesserung der akademischen Lehre. Der Deutsche Hochschulverband fordert daher die Einführung eines intelligenten, fächer- und veranstaltungsspezifischen Hörergeldsystems, das den studentischen Zuspruch zu Lehrveranstaltungen angemessen honoriert.
Stärker als durch finanzielle Honorierung sind Hochschullehrer durch immaterielle Anreize zu motivieren. Immaterielle Anreize bieten zudem den Vorteil, größtmöglichen Nutzen bei kleinstmöglichen Kosten zu bringen. Der Deutsche Hochschulverband fordert daher, besondere Leistungen (in Forschung und Lehre, bei der Drittmitteleinwerbung, in der Übernahme von Aufgaben in der akademischen Selbstverwaltung) durch die Gewährung zusätzlicher Forschungsfreisemester oder durch eine zeitweise Absenkung des Lehrdeputats zu honorieren.
Wesentlicher Anreiz für die wissenschaftliche Leistung von Hochschullehrern ist das Renommee innerhalb der scientific community. Eine besondere Motivation zu herausragender Leistung ist die öffentliche Anerkennung wissenschaftlicher Leistung. Der Deutsche Hochschulverband schlägt daher die Einrichtung eines jährlich vergebenen und hochdotierten Deutschen Wissenschaftspreises (National Scientific Award) vor, der von Bund und Ländern gemeinsam finanziert wird. Dieser "deutsche Nobelpreis" wird in den einzelnen Fächern vom Bundespräsidenten verliehen. Darüber hinaus werden Sonderpreise zum Beispiel für exzellente fächerüber reifende Forschung, herausragende Lehre, Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses oder verständliche Vermittlung von Ergebnissen der Wissenschaft in der Öffentlichkeit in Aussicht gestellt.
Unabhängig von der Berufung schlägt der Deutsche Hochschulverband die Einrichtung von hervorgehobenen "distinguished professorships" vor. Diese "Leuchttürme der Wissenschaft" werden auf Vorschlag der Universität vom Land ernannt. Ihre Zahl bestimmt das Land. Die "distinguished professorship" wird mit einem Festbetrag von monatlich 25.000 DM honoriert.