Wissenschaftsadäquates Publikationsverhalten

Empfehlungen des Deutschen Hochschulverbandes

I. Präambel

Konflikte unter Autoren und Fragen des wissenschaftsadäquaten Publizierens sind in der Wissenschaft kein neues Phänomen. Seit die Publikationsleistungen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern (*) die Höhe von Leistungsbezügen in der W-Besoldung in erheblichem Umfang mitbestimmen und die leistungsorientierte Mittelvergabe maßgeblich durch die Publikationsleistung gesteuert wird, hat die Frage, welches Publikationsverhalten wissenschaftsangemessen ist, erheblich an Bedeutung und Aktualität gewonnen.

Darüber hinaus erfahren diese Fragestellungen existentielle Zuspitzungen, weil jedes nicht wissenschaftsadäquate Publikationsverhalten spiegelbildlich als wissenschaftliches Fehlverhalten aufgefasst werden kann. Allein der bloße Vorwurf eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens kann das berufliche Renommee eines Wissenschaftlers erheblich beeinträchtigen oder auf Dauer zerstören. Schon deshalb ist es ständige Aufgabe der Wissenschaft, insgesamt und in ihren Fächerkulturen darüber zu reflektieren und zu definieren, was korrektes und was unkorrektes wissenschaftliches Publizieren ausmacht.

Vor diesem Hintergrund fasst der Deutsche Hochschulverband im Folgenden die rechtlichen Grundlagen für Publikationen zusammen und gibt fächerübergreifende Empfehlungen für ein wissenschaftsadäquates Publikationsverhalten.

II. Rechtsgrundlagen der Autorenbenennung

1. Urheberrecht

Das Recht der Autorenbenennung ist im Urhebergesetz (UrhG) geregelt. Gem. § 2 Abs. 2 UrhG werden Werke nur dann geschützt, wenn sie im Einzelfall persönliche geistige Schöpfungen bilden. Nach Maßgabe von § 13 Satz 1 UrhG hat der Urheber das Recht auf Anerkennung seiner Urheberrechte am Werk. Er kann darüber hinaus bestimmen, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen ist und welche Bezeichnung verwendet werden soll (§ 13 Satz 2 UrhG). Als ein Kernrecht des Urhebers ist das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft sowohl in Arbeits- als auch in Dienstverhältnissen zu respektieren. Während das Recht auf Urheberanerkennung nur in sehr engen Grenzen eingeschränkt werden kann, sind beim Recht auf Urheberbezeichnung durchaus Einschränkungen im Einzelfall möglich und auch üblich. So können die beteiligten Urheber vereinbaren, dass bei der Verfasserbenennung nur die Hauptverfasser berücksichtigt werden; dass zwischen Haupt- und Nebenverfasser differenziert wird oder eine bestimmte Reihenfolge eingehalten wird. Allerdings müssen hierbei die Regeln über die Anerkennung der Urheberschaft gewahrt bleiben, indem beispielsweise in einer Fußnote die Verhältnisse offengelegt werden. Die Rechtslage ist für selbständig wie für unselbständig wissenschaftlich Tätige identisch.

An dieser Rechtslage ändert sich grundsätzlich nichts bei einer Miturheberschaft (§ 8 UrhG). Miturheber kann im Rechtssinne stets nur der sein, der selbst einen schöpferischen Beitrag zum Gesamtwerk (d. h. zum Wortlaut der Publikation) erbracht hat. Wer sich darauf beschränkt, wissenschaftliche Ergebnisse zu erarbeiten und zum Werk beizutragen, ohne an dessen Formgebung, d. h. an der Ausarbeitung des Textes im Rahmen der literarischen Darstellung, mitzuwirken, ist somit zwar wissenschaftlich beteiligt, aber nicht Miturheber des Werkes. Dementsprechend besteht auch kein Recht auf Anerkennung oder Bezeichnung der Urheberschaft i. S. des UrhG. Diese Rechtslage wird oft verkannt. Das UrhG kann folglich nur die Rechtslage zwischen Beteiligten klären, die an der konkreten Erstellung eines wissenschaftlichen Textes als solchem beteiligt oder zumindest mitbeteiligt waren. Die Rechte der ausschließlich wissenschaftlich Beteiligten an einer Publikation ohne eigenen Textbeitrag bestimmen sich demgegenüber nicht nach den Regelungen des UrhG.

2. Hochschulrecht

Gem. § 24 Hochschulrahmengesetz (HRG) sind Mitarbeiter bei der Veröffentlichung von Forschungsergebnissen, die einen eigenen wissenschaftlichen oder wesentlichen geistigen Beitrag geleistet haben, als Mit-Autoren zu nennen; soweit möglich, ist ihr Beitrag zu kennzeichnen. Entsprechende Regelungen finden sich in den jeweiligen Landeshochschulgesetzen (vgl. bspw. § 70 Abs. 2 HG NRW; Art. 6 Abs. 2 Satz 1 Bayerisches Hochschulgesetz; § 40 Abs. 2 HG BW). Das Hochschulrecht erweitert damit den Kreis der in einer wissenschaftlichen Publikation zu Nennenden um diejenigen, die zwar einen eigenen wissenschaftlichen oder wesentlichen sonstigen Beitrag geleistet haben, aber nicht als Urheber oder Mit-Urheber im Sinne des Urhebergesetzes aufzufassen sind. Wer als in der Forschung tätiger Wissenschaftler "nur"die Daten für eine Veröffentlichung generierte, aber nicht am Text der Publikation als solchem mitarbeitete, hat zwar urheberrechtlich keinen Anspruch als Benennung als Urheber; ihm kommt jedoch ein Anspruch auf Benennung als wissenschaftlicher Beteiligter im Sinne des jeweiligen Landeshochschulgesetzes zu.

III. Wissenschaftsethische Publikationsempfehlungen

Darüber hinaus beruht wissenschaftliches Arbeiten länder- und fachübergreifend auf universellen ethischen Grundprinzipien. Gegen diese verstößt, wer bei wissenschaftlichen Arbeiten bewusst oder fahrlässig Falschangaben macht, geistiges Eigentum anderer verletzt oder deren Forschungstätigkeit in anderer Weise schädigt . Die Verletzung der urheber- und hochschulrechtlich gebotenen Benennung von Mit-Autoren oder Mitarbeitern ist stets auch ein wissenschaftliches Fehlverhalten.

Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Deutsche Hochschulverband seinen Mitgliedern, nachfolgende fächerübergreifende Regelungen für ein wissenschaftsadäquates Publikationsverhalten einzuhalten:

1. Im Mittelpunkt jeder wissenschaftlichen Publikation muss der eigene wissenschaftliche Beitrag stehen. Das eigene Gedankengut, das eigene Forschungsergebnis muss deutlich werden.

2. Wissenschaftliche Publikationen erfordern ein hinreichendes Recherche- und Zitierverhalten. Wissenschaftliche Vorarbeiten sind unabhängig von der jeweiligen Autorenschaft möglichst vollständig und korrekt nachzuweisen.

3. Orginalität und Eigenständigkeit sind bestimmende Qualitätskriterien einer wissenschaftlichen Publikation. Schon deshalb ist die Zitierung eigener Werke auf den inhaltlich notwendigen Umfang zu beschränken.

4. In wissenschaftlichen Veröffentlichungen sind sämtliche Mit-Autoren, aber auch alle Mitarbeiter, die an der Veröffentlichung einen eigenen wissenschaftlichen Beitrag geleistet haben, zu nennen. In den Geisteswissenschaften kommt es dabei auf eigene Textbeiträge an. Sonstige Mitarbeiter sind in einer Danksagung namentlich zu benennen.

5. Wenn es fachspezifisch geboten ist, sollten bei wissenschaftlichen Veröffentlichungen mit mehreren Autoren und/oder wissenschaftlich Beteiligten (siehe Ziffer 4) im Regelfall aus der Reihenfolge der Benennung Ableitungen hinsichtlich des Beteiligungsumfangs des Beitrages eines Autors oder sonstigen Beteiligten im Verhältnis zum Gesamtwerk gezogen werden können. In vielen Fächern hat sich die "first-last-author-emphasis"-Norm durchgesetzt, wonach an erster Stelle der Hauptautor und an letzter Stelle der Ideengeber oder Betreuer aufgeführt wird. Aber auch alphabetische oder nach dem Grad der Beteiligung gelistete Autorenbenennungen sind wissenschaftsadäquat. Entscheidend ist in jedem Einzelfalle ein nach außen erkennbares und somit transparentes System der Benennung.

6. Die Benennung von Personen, die keinen eigenen Anteil an der Publikation geleistet haben, ist nicht zulässig und ist als wissenschaftliches Fehlverhalten zu qualifizieren.

IV. Fachspezifische Richtlinien

Der DHV ruft die Fachgesellschaften und die Fakultätentage auf, zur Vermeidung von Konflikten fachspezifische Richtlinien zum wissenschaftlichen Publikationsverhalten und insbesondere zur Autorenbenennung zu entwickeln und zu publizieren.

Potsdam, 12. April 2011


(*) Der besseren Lesbarkeit halber gelten alle maskulinen Personen- und Funktionsbezeichnungen auf unseren Seiten für Frauen und Männer in gleicher Weise. Es gilt: Pronuntiatio sermonis in sexu masculino ad utrumque sexum plerumque porrigitur (Corpus Iuris Civilis Dig. 50,16,195, veröffentlicht 533 n. Chr.), übersetzt: Die Redeform im männlichen Geschlecht erstreckt sich für gewöhnlich auf beide Geschlechter.