Zur Attraktivität des Hochschullehrerberufes

Resolution des 49. Hochschulverbandstages 1999

1. Der Deutsche Hochschulverband sieht mit großer Sorge, daß der Beruf des Universitätslehrers zunehmend an Attraktivität verliert. Immer häufiger entscheiden sich die besten Köpfe für andere Berufe. Damit sind sie als Forscher und Lehrer für die Wissenschaft verloren. Der Verlust von Innovationskraft fügt der Universität und dem Wirtschaftsstandort Deutschland schweren Schaden zu.

2. Der Beruf des Universitätslehrers hat durch die Unterfinanzierung der Universitäten an Anziehungskraft eingebüßt. Die Arbeitsbedingungen haben sich in den letzten 20 Jahren kontinuierlich verschlechtert. Eine Sparwelle nach der anderen rollt über die Universitäten. Verläßliche Zusagen über die sächliche und persönliche Arbeitsausstattung sind zur Seltenheit geworden.

3. Der Beruf des Universitätslehrers hat durch die Zunahme von Dienstaufgaben, die außerhalb von Forschung und Lehre liegen, an Anziehungskraft verloren. Gerade die Unabhängigkeit in Forschung und Lehre hat aber viele junge Wissenschaftler bewogen, eine universitäre Karriere anzustreben. Eine über das notwendige Maß hinaus gestiegene Zahl von Gremiensitzungen, eine wachsende Verordnungs- und Gesetzesflut, die Auseinandersetzungen mit an diese Vorschriften gebundenen Universitätsverwaltungen, die in der Massenuniversität anfallenden Begutachtungen und Bescheinigungen aller Art - all das ist Gegenstand eines täglich neu zu führenden "Papierkrieges", der immer weniger Zeit für die Forschung läßt und daher abschreckt. Eine Rückbesinnung auf das Kerngeschäft Forschung und Lehre ist dringend notwendig.

4. Der Beruf des Universitätslehrers hat durch seine anhaltende öffentliche Diffamierung an Attraktivität eingebüßt. Die Politik hat erfolgreich versucht, die Universitätslehrer zu Sündenböcken für eine verfehlte Bildungs-, Hochschul- und Finanzpolitik zu machen. Sie orientiert ihre Reformmaßnahmen vornehmlich an den wenigen "schwarzen Schafen", die es in jedem Berufsstand gibt. Sie übersieht dabei bewußt den Einsatz und die Leistung der weit überwiegenden Zahl der engagierten Hochschullehrer.

5. Der Hochschullehrerberuf verliert durch den schleichenden Verlust der Unabhängigkeit an Attraktivität. Die angekündigte Entbeamtung der Hochschullehrer, die Befristung von Dienstverhältnissen und die Einführung von Probedienstverhältnissen öffnet Tür und Tor für eine sachwidrige und vor allem politische Einflußnahme. Offensichtlich ist die Politik nicht länger gewillt, die Universitäten vor einer Ämterpatronage zu schützen. Die sachliche und persönliche Unabhängigkeit der Hochschullehrer ist kein Privileg, das es zu schleifen gilt, sondern unabdingbare Voraussetzung für die Freiheit von Forschung und Lehre sowie institutioneller Schutz vor Repressalien von innen und außen.

6. Der Beruf des Universitätslehrers würde durch die Umsetzung der von der Hochschulrektorenkonferenz vorgeschlagenen Dienstrechtsreform mehr an Attraktivität verlieren als gewinnen. Eine Eingangsbesoldung auf C 3-Basis, unterschiedslos vergeben an Fachhochschullehrer und Universitätslehrer, eine damit einhergehende Absenkung der Besoldung und das Ansinnen, die Entscheidung über die Vergabe von Leistungsprämien in die Hände der Hochschulleitung zu legen, sind unbrauchbar, die wissenschaftliche Leistung angemessen zu honorieren. Statt auf die Kräfte des Wettbewerbs und des Marktes zu setzen, die über das Berufungssystem wissenschaftliche Leistung belohnen, soll zukünftig technokratisch zugeteilt werden. Mit einem solchen Modell kann man die besten Köpfe nicht für sich gewinnen.

7. Der Beruf des Universitätslehrers hat durch das hohe Erstberufungsalter von durchschnittlich über 41 Jahren auf eine Professur erheblich an Attraktivität verloren. Der Deutsche Hochschulverband hält dies für eine falsche Entwicklung. Der Verbleib in ungesicherten Dienstverhältnissen zwischen dem 30. und 40. Lebensjahr mit ungewissen Berufsaussichten ist weder sozial noch attraktiv. Die Senkung der Qualitätsanforderungen, z.B. durch den generellen Verzicht auf die Habilitation, ist aber ein Schritt in die falsche Richtung. Ein konsequenter Ausbau der für Nachwuchswissenschaftler geschaffenen C 1-Stellen, auf denen das mittlere Habilitationsalter nach den Erhebungen des Bundesamtes für Statistik vier Jahre unter dem Durchschnitt liegt, und die Einführung von Altersgrenzen für Qualifikationsstellen sind demgegenüber geeignete und notwendige Mittel, um das durchschnittliche Erstberufungsalter auf eine Universitätsprofessur um mindestens sechs Jahre zu verkürzen.

Bonn, 17. März 1999