Zur Qualität des Studiums

Ein Thesenpapier des Deutschen Hochschulverbandes

PRÄAMBEL: Der Deutsche Hochschulverband tritt ein für die Einheit von Forschung und Lehre. Wissenschaftliche Lehre, wie sie an den wissenschaftlichen Hochschulen betrieben werden soll und betrieben wird, ist ohne Forschung in der Universität nicht zu denken. Sie erhält von der Forschung ihre Impulse und bedarf der ständigen Überprüfung und Erneuerung durch den Forscher und Lehrer.

Angesichts der langen Verweildauer vieler Studenten an den Universitäten und einer hohen Abbruchquote in den einzelnen Studiengängen ist die Sorge um die Qualität des Studiums an den deutschen Hochschulen berechtigt, auch wenn die wissenschaftliche Ausbildung der deutschen Absolventen international anerkannt und konkurrenzfähig ist.

Monokausale Kritik verschleiert mehr, als sie aufdeckt. Sie ist daher kein geeignetes Mittel, Mißstände zu beseitigen. Monokausal sind alle Versuche, die sich auf eine Untersuchung der Qualität der Lehre beschränken. Untersuchungsgegenstand sollte vielmehr die "Qualität des Studiums" sein. Das Studium wird geprägt durch die Qualität der Hochschullehrer, die Qualität der Studenten und die Qualität der Rahmenbedingungen.

Forschung und Lehre sind untrennbar miteinander verknüpft. Gute Forschung wird häufig zu guter Lehre führen und gute Lehre nicht selten zu guter Forschung. Eine isolierte, von der Forschung abgekoppelte Begutachtung der "Qualität der Lehre" nach Maßgabe der Effizienz der Studiengänge und allein didaktisch orientiert ist insofern wenig hilfreich. Wissenschaftliche Lehre ist didaktisch nicht auf die Vermittlung von Schulwissen gerichtet, sondern auf die Befähigung zu eigenverantwortlichem Lernen.

Durch ein System der Anreize und einen daraus resultierenden Wettbewerb läßt sich die "Qualität des Studiums" verbessern:


Die Rahmenbedingungen des Studiums sollten dem Lehrenden eine Auswahl der Lernenden zubilligen. Eine Deregulierung der akademischen Ausbildung und eine in vielen Fächern erforderliche Konzentration des Prüfungsstoffes sind abzustreben. Durch entsprechende Ausgestaltung der Stellenpläne der Hochschulen muß bestehende Überlast abgebaut werden.
 

Studenten sollten finanzielle Anreize zur Verkürzung der Verweildauer an den Universitäten geboten werden. Zu denken wäre an ein Stipendiensystem, das den einzelnen Studenten bis zu einer Semesterhöchstgrenze in die Lage versetzt, die für ihn attraktive Lehre zu bezahlen. Jenseits der Semesterhöchstgrenze müßte der Student die auf ihn zukommenden Kosten für Lehre selbst tragen. Universitäten, Fachbereiche und Hochschullehrer treten aufgrund dieses Stipendiensystems in Konkurrenz zueinander.
 

Greifen Auswahlrecht, Deregulierung und Stipendiensystem ineinander, so folgt daraus nicht nur auf der Seite der Studenten, sondern auch auf der Seite der Professoren eine Auswahl der Besten.
 

In der Praxis der Habilitations- und Berufungsverfahren sollte auch der didaktischen Eignung des zu berufenden Hochschullehrers eine besondere Bedeutung zukommen.
Eine erfolgreiche Verbesserung der Rahmenbedingungen sollte auch folgende Aspekte berücksichtigen:

Einleitung geeigneter Maßnahmen zur erfolgreichen Studienzeitverkürzung wie die sog. "Freischuß-Regelung" für bayerische Jura-Studenten;
 

Gewährleistung der Studierfähigkeit durch hohe Standards beim Hochschulzugang. Dazu gehört unabdingbar das Abitur mit sprachlichen, naturwissenschaftlichen und mathematischen Mindestanforderungen;
 

Die Bedeutung der großen Anfängervorlesungen und vergleichbarer Einführungsveranstaltungen. Hier ist die erfahrene Lehrerpersönlichkeit gefordert, das wissenschaftliche Interesse gerade der Erstsemester zu wecken und zu fördern.
 

Die Notwendigkeit der Beratung auch fortgeschrittener Studenten und Prüfungskandidaten.
Studentische Lehrkritik ist nach Ansicht des Deutschen Hochschulverbandes durchaus sinnvoll im Interesse einer Überprüfung der Qualität der Lehre. Die Bürokratisierung dieser Kritik durch Universitätsverwaltungen und Ministerien ist jedoch kontraproduktiv.

Statistische Erhebungen der studentischen Beurteilung von Lehrveranstaltungen müssen jedoch den üblichen wissenschaftlichen Standards genügen, um zuverlässige Aussagen und eine akzeptable Fehlerquote zu gewährleisten. Diese Standards sind u.a. in folgenden Bereichen einzuhalten:

Erhebungsverfahren: Es ist zu wählen zwischen Vollerhebungen und Stichprobenerhebungen. Die letzteren sollten mit geeigneten Zufallsstichprobenverfahren durchgeführt werden. In jedem Fall ist ein geeigneter Stichprobenrahmen zur Verfügung zu stellen, der gewährleistet, daß die zu befragenden Studenten in vollem Umfang erfaßt und Doppelzählungen ausgeschlossen werden.
 

Verfahren der Datensammlung Hier ist zu entscheiden, durch wen die Fragebogen auszuteilen und Fragen der Studenten zu den Fragebogen zu beantworten sind. Von Bedeutung ist hierbei, daß die Fragen der Studenten zu den Bogen in einheitlicher Form beantwortet werden. Insbesondere ist darauf zu achten, daß die Quote der Nichtbeantworter gering bleibt.
 

Entwurf der Fragen Die Fragen müssen den Kriterien der Verläßlichkeit und der Gültigkeit genügen. Das betrifft z.B. die Ausformulierung und die Klarheit der Fragen. Es ist zu unterscheiden zwischen Fragen, die objektiv meßbare und Fragen, die nur subjektiv meßbare Gegenstände betreffen. Zu beachten sind weiterhin das Skalenniveau der Fragen, die Form (offen, geschlossen) und die Kontrollfunktion der Fragen (multiple Fragen).
 

Entwurf der Fragebogen Bei Entwurf, Gestaltung und Format der Fragebogen sind Erhebungsziel, zu erfassende Variablen und beabsichtigte Analysen zu berücksichtigen. Jeder Fragebogen sollte mehreren Pretests unterzogen werden. Auf keinen Fall sollte der Fragebogen zu lang sein.
 

Interviews, Einführung in die Beantwortung der Fragebogen Diejenigen Personen, die Interviews durchführen bzw. die Fragebogen austeilen, sind intensiv darauf vorzubereiten, um ein standardisiertes Vorgehen zu erreichen. Das betrifft u.a. die Einführung in die Erhebung, die benutzten Konventionen bei der Fragebogenformulierung, das Übergehen/ Auslassen von Fragen, das Behandeln von inadäquaten Antworten und von offenen Fragen. Schließlich ist eine Überwachung der Erhebung vorzusehen.
 

Die Auswertungsverfahren Bei der Auswahl der Auswertungstechniken ist das Skalenniveau zu beachten. Z.B. sind bei der Verwendung von Ordinalskalen in der Regel keine absoluten, sondern nur vergleichende Aussagen möglich. Die Verteilung der Antworten bei nur subjektiv meßbaren Gegenständen ist in starkem Maße abhängig von der Formulierung der Fragen und von der Zahl der Antwortkategorien.
 

Datenschutz Datenschutz ist für die zu befragenden Personen und für die Personen, über die Auskunft gegeben wird, in jedem Falle sicherzustellen.
Da diese Anforderungen bei der Führung von Fragebogenaktionen u.a. aus organisatorischen Gründen nur selten erfüllt werden können, wird eine auf diesem Wege ermittelte "Qualität der Lehre" nur in begrenztem Ausmaß Aufschluß geben können über die Qualität des Studiums. Darüber hinaus rückt eine Fragebogenaktion in die Nähe der "Multiple-choice-Verfahren", deren negative Seiten in den letzten Jahren des öfteren diskutiert worden sind. Beurteilungen werden vorgegeben, nicht jedoch von den betroffenen Studenten selbst entwickelt. Insofern ist studentische Lehrkritik im Rahmen individueller Stellungnahmen vorzugswürdig.

Studentische Kritik muß eingesetzt werden als Instrument zur Selbstkritik, - steuerung und -kontrolle. Aus rechtsstaatlichen Gründen ist sie als Kriterium der Mittelvergabe ebenso ungeeignet wie als Instrument zur Einleitung dienstrechtlicher Konsequenzen.

Selbstkritik, -steuerung und -kontrolle sind für den Hochschullehrer unverzichtbar. Der Hochschullehrer ist gerade in Zeiten der sog. "Massenuniversität" auf Rückkopplungen angewiesen.